Rezension zu „Deutsche Spuren“

Für Interessenten an der deutschen Kolonialgeschichte dürfte das Buch unverzichtbar sein

Rolf Hasse ist einer der größten Experten für deutsche Kolonialarchitektur in Ostafrika. Sein neues Buch „Deutsche Spuren in Ostafrika“ schließt an sein letztes Werk „Tansania, das koloniale Erbe“ (2005) an und hat in zwei Kapiteln auch wieder koloniale Architektur zum Thema. Konkret geht es um die Bezirkshauptstädte Mwanza, Marangu, Mpwapwa, Dodoma, Morogoro, Lindi und Songea im ehemaligen Deutsch-Ostafrika und um die Entwicklung der Städte Daressalam, Bagamoyo, Tabora und Iringa. Im Mittelpunkt des neuen Buches steht jedoch die Kolonialgeschichte der Küstenregion, von Sansibar und Lamu über Witu bis Kilwa Kisiwani. Im Kapitel „Wissenschaft und Forschung“ geht es außerdem um den deutschen Missionar und Forscher Johann Ludwig Krapf, um die Forschungsstation Amani in den Usambara-Bergen, den Kilimandscharo, die Ausgrabungsarbeiten des riesigen Dinosaurierskeletts Tendaguru durch deutsche Archäologen sowie schließlich um deutsche technische Projekte wie die Usambarabahn, die Sigi-Bahn und die Drahtseilbahn – alle drei in den Usambara-Bergen gelegen. Für Interessenten an der deutschen Kolonialgeschichte dürfte das Buch unverzichtbar sein, zumal es unzählige historische Fotos enthält, die oft aktuellen Ansichten gegenüber gestellt werden: Zum Beispiel eine Art Stadtentwicklungsplan von Bagamoyo, vermutlich aus dem Jahr 1891, als das deutsche Schutztruppen-Kommando von Sansibar nach Bagamoyo umgezogen und der Ort vorübergehend die Hauptstadt der Kolonie war. In dem mehrfarbigen Plan sind sogar die ober- und unterirdischen Wasserleitungen eingezeichnet, die in ihren Überresten an der einen oder anderen Stelle im Stadtgebiet heute immer noch sichtbar sind. Rolf Hasse, 75, der von 1977-80 im Rahmen der Entwicklungshilfe Unterabteilungsleiter im „Ministry of Works Architects Division“ in Daressalam und Berater des Directors of Antiquities im tansanischen Ministerium für Kultur und Jugend war, lebt heute in Augsburg. Rudolf Blauth, 29. Mai 2012, bei Amazon

Buchbesprechung „Deutsche Spuren in Ostafrika“ im Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 2017

Rolf Hasse, Mitglied der GÜSG, hat sein Werk über die architektonischen Zeugnisse der Kolonialzeit in Deutsch-Ostafrika (2005) durch das angezeigte Buch ergänzt. Er beginnt mit einem systematischen Abriss der deutschen Präsenz an der Swahili­Küste, die sich mit den Namen des Missionars Krapf und des Forschungsreisenden von der Decken, aber auch mit dem des Kolonialabenteurers Carl Peters verbindet, der die zögernden kolonialen Aspirationen des Kaiserreichs durch seine Erwerbungen auf dem Festland präjudizierte. Aber auch die dem Festland vorgelagerten Inseln Kilwa und Sansibar, die heute zum kulturellen Erbe der Menschheit gehören, sind Gegenstand seiner Untersuchung. Sansibar war zwar entgegen einer verbreiteten Meinung nie in deutschem Besitz, ist aber für die Geschichte Ostafrikas von erheblicher Bedeutung. Weniger bekannt sind jedoch die Städte des ostafrikanischen lnlands. Dazu zählen zum Beispiel Mwanza am VIktoriasee wie Moshi am Fuß des Kilimandscharo. Dodoma, die nominelle Hauptstadt Tansanias, ist ein Produkt der von den Deutschen gebauten zentralen Eisenbahn, die von Daressalam bis nach Kigoma am Tanganijkasee führt. Die verfallenen Ruinen der historischen Hafenstadt Lindi im Süden erinnern  an die frühere koloniale Bedeutung des einstigen Sitzes der regionalen Bezirksverwaltung. Von Interesse ist durch seine Lage auch Tabora. Steht meist die Suaheliküste im Blickpunkt werden von Hasse auch die zentralen Punkte des Inlands in Wort und Bild kulturell wie historisch erschlossen. In einem zentralen  Kapitel geht Hasse den Themen „Wissenschaft und  Forschung“ im kolonialen Kontext nach. Krapf war nicht nur Missionar: er ist zugleich durch seine landeskundlichen  und sprachlichen Arbeiten in der Fachwelt ein Begriff. Die Forschungsstation Amani in den Usambara-Bergen war für die tropische Landwirtschaft beispielhaft, was der Einführung von Kaffee, Baumwolle und Sisal zugutekam. Der Kilimandscharo, von Krapfs Gefährten Rehmann für die „Europäer“ entdeckt, wurde von Hans Mayer zum ersten  Mal erklommen. Robert Koch wirkte zeitweise in Daressalam.Im Süden des Landes entdeckte ein deutscher Forscher das Skelett des bis dahin größten Dinosauriers, das man noch heute im Naturkundemuseum in Berlin bestaunen kann. Instruktiv ist das letzte Kapitel in dem Hasse in zahlreichen Abbildungen den zeitgenössischen Zustand zahlreicher Bauwerke mit dem gegenwärtigen vergleicht. Leider fehlen Tansania die Mittel für die Erhaltung und Pflege historischer, das heißt kolonialer Bauten. Nur das mit deutscher Unterstützung restaurierte ehemalige Regierungskrankenhaus in Daressalam erinnert  an koloniale Zeiten, die nicht nur vom Ziel der „Ausbeutung“, sondern auch von dem der „Entwicklung“ bestimmt waren. Das Buch von Hasse verbindet gründliche historische Kenntnisse mit der Sachverstand des Architekten. Einzigartig aber ist das  umfangreiche zeitgenössische Bildmaterial. Anzuerkennen ist nicht zuletzt das uneigennützige Engagement des Verfassers. Das Buch ist durch seinen breiten kulturwissenschaftlichen Ansatz jedem Interessenten deutscher Überseegeschichte sehr zu empfehlen. Heinz Schneppen, Berlin. Botschafter der BRD in Tansania von 1993 – 1996