Die deutsche Kolonialarchitektur in Ostafrika hat sich anders entwickelt als z.B. in Süd-West Afrika. Die Gründe liegen einmal im klimatischen Unterschied. Das Klima in Süd-West Afrika erlaubte eine Bauweise fast wie in Mitteleuropa und außerdem gab es keine indigene Massivbauweise die man hätte integrieren können. Die Teile Ostafrikas in denen sich die Deutschen zuerst niederließen lagen im Küstenstreifen. Das Klima hier ist feuchtheiß und schafft dadurch Probleme im Wohnbereich wie auch bei der Nutzung als Büro. Außerdem gab es eine indigene Architektur in Massivbauweise basierend auf einer eigenen Technologie. Diese Gebäude entsprachen zwar fast nie den europäischen Minimalansprüchen an Hygiene, konnten aber durch Umbau erträglich gemacht werden. So verlief die Geschichte der Architektur anders als in anderen Kolonien.
Nach dem Umzug der Gouvernementsverwaltung von Bagamoyo nach Dar-Es-Salaam expandierte die Verwaltung erheblich und der Raumbedarf stieg schlagartig. Gleichzeitig nahm aber auch der Bedarf an Wohnraum für Europäer zu. Um für die erst im Aufbau befindliche Administration Wohn- und Büroraum zu schaffen, verhielt man sich flexibel. Man entschloss sich zu vorgefertigten Bauten mit multifunktionalem Grundriss.
Angestrebt wurde es Wohnflächen mit Büroflächen so zu verbinden, dass jede der beiden Nutzungen nach Bedarf verschoben werden konnte. Die einzigen aus dieser Zeit noch vorhandenen Bauten an der Kuvukoni Front (ehemals Kaiser Wilhelm Ufer) in Dar Es Salaam geben ein gutes Beispiel für diese Praxis ab. Hier ist vor allem das ursprüngliche Haus Nr. II von 1891 ein Gerichtsgebäude zu nennen, dass zwischen 2000 und 2002 nach einem Brand gründlich restauriert wurde.
Rolf Hasse: Die Entwicklung der Kolonialarchitektur im ehemaligen Deutsch-Ostafrika. Sonderdruck aus dem Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte, Band 12, 2012